Die Aussage im Johannesevangelium (Joh 14,6) gehört zu den bekanntesten Bibelversen des Neuen Testaments und ist zugleich die christologische Spitzenaussage. Hartmut Thyen wertet sie gar nicht nur als ein internes Bekenntnis der johanneischen Community, sondern als ein Bekenntnis des gesamten Christentums. Daher bleibt sie mit ihrem Absolutheitsanspruch für den interreligiösen Dialog zentral. „Das Johannesevangelium ist jener Wirt, ohne den der christlich-jüdische Dialog bisher seine Rechnung gemacht hat“ (Thyen bei Perepparambil 2023:10).

Perepparambil 2023 – Jesus as the Way to the Father in the Gospel of John

Die Monographie von Sajan George Perepparambil ist die geringfügig überarbeitete Dissertation, die im September 2018 von der Universität Wien mit summa cum laude angenommen wurde. Perepparambil ist katholischer Priester und Theologe. Er lehrt derzeit als Dozent Jyotir Bhavan, einem Institut für Theologie und Spiritualität in Kalamassery, Kerata, Indien.

Die Monographie von Perepparambil widmet sich einem der bekanntesten christologischen Aussprüche im Johannesevangelium: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6).

In diesem Beitrag rezensiere ich seine 2023 erschienene Dissertation mit einem Umfang von 470 Seiten.

Rezension

Perepparambil, Sajan G. 2023. Jesus as the way to the Father in the Gospel of John: A Study of the Way of Motif and John 14,6 in its Context. Tübingen: Mohr Siebeck. (WUNT II, 584).

470 Seiten. 114,– €
ISBN 978-3-16-161925-0

Rezension Perepparambil 2023

Einführung

Perepparambil betont gleich zu Beginn, dass Joh 14,6 für viele Forscher heute ein „hard nut to crack“ und „a stumbling block“ ist, insbesondere wenn es um den Exklusivitätsanspruch von Jesus Christus und den interreligiösen Dialog geht (1). Auf ca. 25 Seiten sichtet er die Forschung, wobei Laura Tack mit ihrer 2017 veröffentlichen Dissertation Weg van de Waarheid? (Katholieke Universiteit Leuven, 2015) zur wichtigsten Gesprächspartnerin wird (12–25). Darin formuliert Perepparambil doch einige gewichtige Anfragen: Seiner Ansicht nach verfolge Tack eine hidden agenda, indem sie die Bedeutung von Joh 14,6 nivelliere, um einen jüdisch-christlichen Dialog zu ermöglichen (15). Zudem kritisiere Tack den Verfasser des Evangeliums für sein „anti-Jewish potential“, anstatt eine solide Exegese zu betreiben (16). Weiterhin vermische sie die exegetische Disziplin mit der systematisch-theologischen (17). Und auch gegenüber ihrer Interpretation von Joh 14,6 als „Christomonism and an incomplete soteriology“ (23) lassen sich gewichtige Anfragen finden (23f). Anders wie Tack beabsichtigt Pereppambil, Joh 14,6 im Kontext des „biblical context than to external theories in the interpretation of John 14,6“ zu untersuchen (26). In gewisser Weise sieht er seine Studie daher als ein Korrektiv gegenüber der Dissertation von Tack (26).

Methodischer Ansatz

Bei der Suche nach der Bedeutung (meaning, 26) von Joh 14,6 wählt Perepparambil eine konsequent intertextuelle Interpretationsweise, womit der literarische und historische Kontext des Evangeliums selbst gemeint ist, und eine intra-textuelle Interpretationsweise, in deren Hintergrund das Alte Testament (AT) steht (27). Die Bezüge zum AT werden primär durch Anspielungen und Echos im Text vermittelt.

„This work will attempt to interpret the text in the light of the echoes and the thematic allusions to John’s Scriptures“ (27).

Aufbau und Inhalt

Die Studie ist in acht Hauptkapitel gegliedert.

Das erste Kapitel bietet eine semantische Untersuchung des Weg-Motivs (ὁδός/ἡ ὁδός) und verwandter Termini in griechischen und jüdischen Textkorpora. Es werden traditionsgeschichtliche Erkenntnisse des „Weges“ in der klassischen griechischen Literatur, im Masoretischen Text der hebräischen Bibel, in der Septuaginta, in den Schriften von Qumran, bei Philo und Josephus und im Neuen Testament zusammen getragen (33–94). Zuletzt wird das Journey Motif im Johannesevangelium untersucht, das sich als eine „kosmische“, geographische und metaphorische Reise (Jesu kosmische Reise in Joh 13–14 und die Reise der Glaubenden) (94–114). Anders wie bei den Synoptikern werden von Johannes Verben der Bewegung bzw. der Reise christologisch, soteriologisch und missionstheologisch „aufgeladen“ (114-115). Johannes regt damit eine Lektüre der „zweiten Ebene“ (Hirsch-Luipold).

Im zweiten Kapitel untersucht Perepparambil die literarische und theologische Einbettung von Joh 14,6 in den Abschiedsreden Jesu (Joh 13-17). Jesus Aussage über den Weg korreliert nach Perepparambil mit „Jesus‘ journey depicted in John 13–14“, wobei die Analyse „answers the question how (journey motif, conflict with the ruler of the world) and why (oneness with the Father) Jesus becomes the exclusive way to the Father“ (180).

Im dritten Kapitel erfolgt eine exegetische Detailanalyse von Joh 14,6 unter Berücksichtigung semantischer und syntaktischer. Dabei weist Perepparambil die redaktionsgeschichtliche These von Charlesworth zurück, wonach Joh 14,6b ein späterer Eintrag zu Joh 14,6a darstelle (192f).

Das vierte Kapitel stellt Perepparambil einen alternative Sichtweise zum literarischen Hintergrund von Joh 14,6 vor (223). Hierbei geht er von der Annahme aus, dass „The Gospel of John is self-interpretative“ (223). Intratextuell scheint Jes 40,3 als tradtionsgeschichtlicher Hintergrund des Weg-Motivs zu stehen (223). Auch den Exklusivitätsanspruch wird an auf dem Hintergrund der Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit Jahwes in Jes 40–45 (besonders Jes 43,11) lesen (224).

Ergänzend zum Weg-Motiv werden im fünften Kapitel die Termini Wahrheit und Leben sowie ihre Beziehung zum Weg-Motiv (ὁδός/ἡ ὁδός) und die Figur des Vaters im Johannesevangelium untersucht. In Kapitel sechs wird Joh 14,6 im Kontext der Ich-bin-Worte analysiert. Es folgen schließlich wirkungsgeschichtliche Erörterungen: Im siebten Kapitel wird Joh 14,6 historisch eingeordnet und im achten Kapitel wird Joh 14,6 im Kontext des heutigen religiösen Pluralismus reflektiert.

Auf ca. 25 Seiten fasst Perepparambil den wesentlichen Ertrag seiner Studie zusammen (396–420). Schließlich folgen die Bibliographie und die verschiedene Indexe (Belegstellen, Autoren, Sachregister, 421–470).

Würdigung

Perepparambils Studie zeichnet sich durch methodische Sorgfalt und exegetische Tiefe aus. Insbesondere sein inter- und intratextuelle Herangehensweise begünstigen, dass die Zentralität der Aussage in Joh 14,6 in ihrer ganzen Breite und Tiefe wahrgenommen werden können. Hervorzuheben ist auch sein Wagnis, im achten Kapitel eine Aktualisierung für den religiösen Dialog anzubieten. Hierbei plädiert Perepparambil zurecht dafür, nicht den Exklusivitätsanspruch, sondern die Universalität des Heils, das in Jesus ist, zu betonen und macht klar, dass „John 14,6 does not teach or propagate fundamentalism“ (394). Während diesem Urteil unbedingt zuzustimmen ist, wird man gewisse Tendenzen der Allversöhnung, die wesentlich von der katholischen Lehrtradition geprägt sind (388–393) und die Perepparambil ausführt, aus evangelischer bzw. evangelikaler Perspektive anfragen. Etwa wenn der Verfasser formuliert, dass Anhänger anderer Religionen „by practising what is good in their own religious traditions and by obeying the dictates of their conscience, the followers of other religions can be saved through Christ because Christ is salvifically present in every human being and he is the light that enlightens everyone to do good through the Holy Spirit“ (395). Hier könnte man Perepparambil eine eigene katholische Agenda vorwerfen, die er selbst auf einer anderen Ebene bei Laura Tack kritisiert. Aus aus evangelikaler Perspektive wird man hier eher dem moderaten und einschränkenden Statement von Michael F. Bird (und Michael Horton) folgen:

Let me say also that we should respect the freedom of God and recognize the surprising extent of God’s grace, for God will have mercy on whom he will have mercy. Yet there is nothing in Scripture to contest the view that those who die in their sins without turning to God through Christ are headed for a dire state. Michael Horton wisely comments, “Whatever God might choose to do in any given case, he has promised to save all of those—and only those—who call on the name of his Son” (Bird 2020:650).1

Abgesehen von dieser grundsätzlichen Anfrage betont die Monographie von Perepparambil die Einsicht, dass das Weg-Motiv im Johannesevangelium eine dynamische Komponente enthält: Es geht nicht nur um einen statischen Heilsweg, sondern um eine existentielle Beziehung zum Vater, die durch die Gemeinschaft mit Jesus vermittelt wird. Dies bleibt ein bedeutender Ertrag für die johanneische Forschung.

Die Monographie ist besonders für Neutestamentler mit Schwerpunkt johanneische Literatur, aber auch für Systematiker und Religionswissenschaftler mit Interesse an frühchristlicher Theologie empfehlenswert.

Quellen

  1. Bird, Michael F. 2020. Evangelical Theology: A Biblical and Systematic Introduction. 2. Aufl. Grand Rapids: Zondervan. ↩︎

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